… Hospitation in einer 5. Klasse

Frau Kübler steht an der Wandtafel und erklärt den Auftrag für die nächsten 45 Minuten. Nach ein paar Sätzen sind schon die ersten Hände in der Höhe: «Sie, Frau Kübler!» «Wartet mit den Fragen, bis ich fertig erklärt habe“, reagiert die Lehrerin. Während sie erklärt, bleiben die Hände oben. Einige Schüler sind nun schon aufgestanden und zu ihren Plätzen gegangen, um mit der Arbeit zu beginnen. Doch Frau Kübler war noch gar nicht fertig mit ihren Ausführungen. «Halt, kommt alle zurück und wartet bis ich fertig geredet habe!»  Missmutig kommen die Schüler zurück und stehen bei der Tafel. Nun stellen die „Handaufstrecker“ noch ihre Fragen, die eigentlich vorher schon beantwortet wurden und trotzdem nochmals gefragt werden. Endlich dürfen nun die Kinder an die Arbeit. Ich beobachte Sabrina. Sie gehörte nicht zu den „Handaufstreckern“ auch nicht zu den „Weglaufern“. Sie stand da und hörte zu. Nun geht sie an den Platz, sie schaut sich um. Sie legt Heft und Buch auf den Tisch und öffnet beides. Sie schaut ins Buch, dann wieder auf die leere Seite im Heft, dann wieder ins Buch. Die „Handaufstrecker“ stehen schon wieder mit Fragen bei Frau Kübler, die „Weglaufer“ haben schon eine halbe Seite ausgefüllt. Und Sabrina? Immer noch schaut sie in ihr Buch, noch kein Wort steht auf der leeren Heftseite. Endlich ist Frau Kübler nicht mehr umringt, sie geht durchs Klassenzimmer und sieht Sabrina vor ihrem leeren Heft…

Sicher kennen Sie diese Situation im Unterricht. Es entspricht dem Lernalltag in allen Stufen der Schule. Diese Situation widerspiegelt die Lernwege der Kinder und ihre Art und Weise mit Aufgaben und Lernsituationen umzugehen. Werden solche Situationen genau beobachtet und analysiert, können Lernweg entdeckt und der Unterricht für alle optimiert werden. Die Grundlage dazu bietet das Modell der dreidimensionalen Prozesse (3DP-Modell) im Bezug zum Lernverhalten.

Ganzheitliche Lernprozesse bewegen sich in folgenden drei Dimensionen und werden von Lernenden in unterschiedlichen Ecken gestartet:

Es gibt Schüler, die brauchen ganz wenig Erklärung. Sie möchten ausprobieren, Fehler machen, verändern. Sie sagen (oder denken): «Bitte reden Sie nicht so lange, lassen Sie es mich einfach probieren!» 

In Ihrer Klassen sind aber auch Schüler, welche den gemeinsamen Austausch und die Resonanz mit der Lehrperson und Mitschülern brauchen, um arbeiten zu können. Sie stellen viele Fragen, lieben die Nähe der Lehrperson, vorzeigen und nachmachen, in der Beziehung mit jemandem tut ihnen gut.

Daneben sitzen die «Denker». Sie müssen etwas verstanden haben, bevor sie in die Tat schreiten. Die detaillierte Erklärung lieben sie. «Wenn ich etwas verstanden habe, kann ich es auch tun», ist ihre Devise. Die Frage «Weshalb?» ist für sie zentral. Gehört wohl Sabrina dazu und kann sie gar nicht beginnen, weil etwas für sie noch keinen Sinn ergibt?

War sich Frau Kübler dieser Dimensionen und Lernbedürfnisse bewusst? Wohl eher nicht, wie wäre sie umgegangen mit dem Wissen, dass diese grossen Lernunterschiede in ihrer Klasse vorhanden sind? Die bewusste Gestaltung der Lernprozesse für die unterschiedlichen Schüler ist das Kunsthandwerk der erfolgreichen Lehrperson.

Weiterbildung für Lehrpersonen:

Gerne kläre ich mit Ihnen im Gespräch die möglichen massgeschneiderten Weiterbildungen für Sie als Schulleiter und Ihr Lehrpersonen-Team

Ich freue mich über den Kontakt mit Ihnen.

Michael Schweyer

email: ms@3dp-coaching.ch

Tel: +41 76 214 88 40